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28 September 2023 Dr. Gisela Olias, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, TUM

Echter Hopfen Gisela Olias, Gisela Olias / Leibniz-LSB@TUM

Dr. Klaas Reglitz Joseph Krpelan, Leibniz-LSB@TUM

Die Inhaltsstoffe des Hopfens machen Bier nicht nur haltbar und bitter, sondern können auch dessen Aroma wesentlich beeinflussen. Ein wichtiger Schlüsselgeruchsstoff im Hopfen ist das Linalool, das einen blumigen und zitrusartigen Duft besitzt. Unter Federführung des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München hat nun ein Freisinger Forschungsteam eine rund 20 Jahre alte Annahme über diesen Geruchsstoff widerlegt. Die neue Studie trägt dazu bei, Veränderungen des Bierbouquets während des Brauprozesses und der Bieralterung besser zu verstehen.

In Hopfen und Bier finden sich zwei Molekülvarianten des Geruchsstoffs Linalool: die Enantiomere (R)- und (S)-Linalool. Beide Moleküle bestehen aus derselben Anzahl und Art von Atomen, die auf die gleiche Weise miteinander verbunden sind. Dennoch haben sie eine unterschiedliche räumliche Struktur und unterscheiden sich wie ein Bild von seinem Spiegelbild. Dieser „kleine“, aber dennoch wesentliche Unterschied schlägt sich auch in unterschiedlichen Geruchsintensitäten der Moleküle nieder.

Darüber hinaus ist seit langem bekannt, dass sich das Bieraroma während des Brauprozesses und der Lagerung verändert, da sich unter anderem ein Teil des im Hopfen vorherrschenden (R)-Linalools in (S)-Linalool umwandelt. Bislang gingen Forschende aufgrund einer Arbeit aus dem Jahr 1999 davon aus, dass die Geruchsschwellenkonzentrationen von (R)-Linalool etwa um den Faktor 80 niedriger liegen als die von (S)-Linalool. Vereinfacht ausgedrückt nahmen sie an, dass (R)-Linalool das Bieraroma wesentlich stärker beeinflusst als sein spiegelbildliches Pendant. Verlässliche Daten zu den Geruchsschwellenwerten beider Substanzen fehlten jedoch.

Präparative Methode optimiert

Um diese Wissenslücke zu schließen und präzisere Vorhersagen zu Veränderungen im Bieraroma zu ermöglichen, hat das Team um den Brau- und Getränketechnologen Klaas Reglitz und den Lebensmittelchemiker Martin Steinhaus vom Freisinger Leibniz-Institut zunächst eine präparative Methode optimiert. In enger Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität gelang es den Forschern so erstmals, enantiomerenreines (S)-Linalool zu isolieren.

Die Reinsubstanz in ausreichender Menge zur Verfügung zu haben, war eine unabdingbare Voraussetzung, um mit einem geschulten Sensorik-Panel die spezifischen Geruchsschwellenkonzentrationen der beiden Geruchsstoffvarianten in Wasser und ungehopftem Bier zu bestimmen. Denn bislang ist lediglich (R)-Linalool als Reinsubstanz kommerziell verfügbar.

Wie das Team zeigte, lagen die Schwellen von (R)- und (S)-Linalool in Wasser bei 0,82 bzw. 8,3 Mikrogramm pro Kilogramm. In ungehopftem Bier ermittelte das Team Schwellenwerte von 6,5 Mikrogramm pro Kilogramm für (R)-Linalool und 53 Mikrogramm pro Kilogramm für (S)-Linalool.

Einfluss von (R)-Linalool überschätzt

„Unsere Ergebnisse bestätigen damit zwar die zuvor postulierte höhere Geruchspotenz von (R)-Linalool. Sie widerlegen aber auch die bisherige Annahme, dass sich die Geruchsschwellenkonzentrationen der beiden Enantiomere extrem stark unterscheiden. Stattdessen zeigt die Studie, dass der Unterschied nur etwa das Acht- bis Zehnfache beträgt“, sagt Martin Steinhaus, Leiter der Sektion I und der Arbeitsgruppe Food Metabolome Chemistry am Leibniz-Institut.

Erstautor Klaas Reglitz ergänzt: „Die Umwandlung von (R)- in (S)-Linalool hat also keinen so großen Einfluss auf das Bieraroma wie lange Zeit angenommen. Dank unserer Studie verstehen wir nun besser, wie und warum sich das Aroma während der Lagerung verändert“.

Publikation: Reglitz, K., Stein, J., Ackermann, J., Heigl, V., Brass, L., Ampenberger, F., Zarnkow, M. and Steinhaus, M. (2023). Enantiospecific determination of the odour threshold concentrations of (R)- and (S)-linalool in water and beer. BrewingSci 76, 92. 10.23763/BrSc23-07reglitz.

https://www.brewingscience.de/index.php?tpl=table_of_contents&year=2023&edition=0007%2F0008&article=93004

Hintergrundinformationen:

Linalool ist ein wichtiger Bestandteil in vielen ätherischen Ölen, häufig als Hauptbestandteil. Es kommt in verschiedenen Gewürzpflanzen wie Koriander, Sternanis, Hopfen, Muskat, Ingwer, Basilikum und vielen anderen vor. Linalool wird sowohl als Bestandteil von ätherischen Ölen als auch als Reinstoff zur Aromatisierung verwendet.

Der „echte Hopfen“ (Humulus lupulus) dient hauptsächlich der Bierherstellung. Beim Brauen von Bier werden die Dolden der weiblichen Hopfenpflanzen verwendet. Im Jahr 2022 betrug die Hopfenanbaufläche in Deutschland ca. 20.600 Hektar, was in etwa einem Drittel der weltweiten Anbaufläche entspricht. Deutschland zählt somit zu den führenden Hopfenproduzenten und spielt eine maßgebliche Rolle im weltweiten Export. Mit einer Exportmenge von 26.648 Tonnen führt Deutschland die Liste der Exportländer für Hopfen an. Gleichzeitig ist die Bundesrepublik auch eines der bedeutendsten Zielländer für den internationalen Hopfenhandel. Quelle: de.statista.com

Lesen Sie auch unsere Pressemitteilung aus dem Jahr 2019: Craft-Bier kühl lagern und möglichst frisch konsumieren https://www.leibniz-lsb.de/presse-oeffentlichkeit/pressemitteilungen/pm-20190114-pressemitteilung-craft-bier/

Kontakte:

Experten-Kontakt:

PD Dr. Martin Steinhaus
Leiter der Sektion I und der Arbeitsgruppe Food Metabolome Chemistry
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM)
Lise-Meitner-Str. 34
85354 Freising

Tel.: +49 8161 71-2991
E-Mail: m.steinhaus.leibniz-lsb@tum.de

Dr. Klaas Reglitz

Arbeitsgruppe Food Metabolome Chemistry
Tel.: +49 8161 71-2931
E-Mail: k.reglitz.leibniz-lsb@tum.de

Pressekontakt am Leibniz-LSB@TUM:

Dr. Gisela Olias
Wissenstransfer, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 8161 71-2980
E-Mail: g.olias.leibniz-lsb@tum.de
https://www.leibniz-lsb.de

Informationen zum Institut:

Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München besitzt ein einzigartiges Forschungsprofil an der Schnittstelle zwischen Lebensmittelchemie & Biologie, Chemosensoren & Technologie sowie Bioinformatik & Maschinelles Lernen. Weit über die bisherige Kerndisziplin der klassischen Lebensmittelchemie hinausgewachsen, leitet das Institut die Entwicklung einer Systembiologie der Lebensmittel ein. Sein Ziel ist es, neue Ansätze für die nachhaltige Produktion ausreichender Mengen an Lebensmitteln zu entwickeln, deren Inhaltsstoff- und Funktionsprofile an den gesundheitlichen und nutritiven Bedürfnissen, aber auch den Präferenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtet sind. Hierzu erforscht es die komplexen Netzwerke sensorisch relevanter Lebensmittelinhaltsstoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit dem Fokus, deren physiologische Wirkungen systemisch verständlich und langfristig vorhersagbar zu machen.

Das Leibniz-Institut ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft (https://www.leibniz-gemeinschaft.de/), die 97 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.

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Wissenschaftliche Ansprechpartner:

PD Dr. Martin Steinhaus
Leiter der Sektion I und der Arbeitsgruppe Food Metabolome Chemistry
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Dr. Klaas Reglitz (ist leichter erreichbar)
Arbeitsgruppe Food Metabolome Chemistry
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E-Mail: k.reglitz.leibniz-lsb@tum.de

Originalpublikation:

Reglitz, K., Stein, J., Ackermann, J., Heigl, V., Brass, L., Ampenberger, F., Zarnkow, M. and Steinhaus, M. (2023). Enantiospecific determination of the odour threshold concentrations of (R)- and (S)-linalool in water and beer. BrewingSci 76, 92. DOI: 10.23763/BrSc23-07reglitz.

https://www.brewingscience.de/index.php?tpl=table_of_contents&year=2023&edition=0007%2F0008&article=93004

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