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Universität Bamberg

Der Sozialwissenschaftler 2.0

Wegbereiter für Rechenmethoden
Autor: Patricia Achter,

Was computergestützte Verfahren sind, erläutert Carsten Schwemmer bei einem Summer Institute in Bamberg rund 25 Masterstudenten und Doktoranden. Er spricht auf Englisch, weil die teilnehmenden Sozialwissenschaftler und Data Scientists aus aller Welt kommen.

Der 32-jährige Deutsche geht unter anderem auf verschiedene Methoden ein, wie automatisierte Textanalysen und digitale Feldexperimente. „Im Bereich der Computational Methods gibt es gerade einen großen Umbruch,“ sagt Carsten Schwemmer, der bis 2019 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politikwissenschaft, insbesondere Politische Soziologie, an der Universität Bamberg war und heute als Gastwissenschaftler an der Bamberg Graduate School of Social Sciences (BAGSS) tätig ist.

„Die Methoden haben enormes Potenzial, weil wir riesige Datenmengen analysieren können. Durch automatisierte Analysen von Texten und Bildern erfahren wir, wie sich Menschen online verhalten, wie sich beispielweise die Strategien von rechtspopulistischen Bewegungen verändern.“

Carsten Schwemmer hat in seiner Dissertation unter anderem die Facebook-Beiträge der rechtspopulistischen und islamfeindlichen Pegida-Bewegung untersucht. Die Online-Kommunikation hat sich zunehmend radikalisiert: Anfang 2015 rief Pegida vor allem zur Teilnahme an Demonstrationen auf. Im Zeitverlauf wurden immer mehr Beiträge zur vermeintlichen Islamisierung Deutschlands veröffentlicht.

Internationales Arbeitsumfeld

Dass er das Summer Institute in Computational Social Science (SICSS) zusammen mit Bamberger Kollegen im August 2019 anbieten konnte, verdankt Schwemmer in erster Linie der BAGSS.

Doktoranden an der Bamberg Graduate School of Social Sciences (BAGSS).
Carsten Schwemmer (li.) veranstaltete das Summer Institute in Computational Social Science im August 2019 erstmals in Bamberg.

Die Graduate School schafft seit 2010 ein strukturiertes Arbeits- und Bildungsumfeld für internationale Doktoranden an der Universität Bamberg. Die BAGSS hat nicht nur einen Großteil des Summer Institutes finanziert. Sie sponserte im vergangenen Jahr auch Schwemmers Teilnahme beim Hauptevent des SICSS an der Duke University in North Carolina. Dort lernte er zum Beispiel, wie man quantitativ Texte analysiert ­– eine Methode, die sich schnell zu einem unverzichtbaren Forschungsinstrument in einer Vielzahl von Bereichen entwickelt, nicht nur in der Geschichte, Soziologie, und den digitalen Geisteswissenschaften, sondern auch in Sicherheitsanwendungen, Biomedizin, Politik und Wirtschaft.

Carsten Schwemmer zeigt eindrucksvoll, wie moderne Sozialwissenschaft aussehen kann.
Prof. Andreas Jungherr, Universität Konstanz

Nach seiner Teilnahme durfte er das Summer Institute dieses Jahr an der Universität Bamberg veranstalten – als eine von elf Partnerhochschulen weltweit.

Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften

Professorinnen und Professoren: 44

Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 166 (davon 68 Frauen)

Kooperation mit: Fraunhofer Institute for Integrated Circuits IIS, Institute for Employment Research (IAB)

Forschungsschwerpunkte: wirtschaftliche und politische Entscheidungen, Unternehmensorganisation, Management, Innovation, Produktion und Logistik, Kapital- und Finanzmärkte, Europäisierung und Globalisierung, Governance, Staat und politisches Handeln, Arbeitsmarkt, Bildung, Demographie, Familie, soziale Ungleichheit, Statistik und Methodenentwicklung, Gesellschaftstheorie

Studienmöglichkeiten auf Englisch: B.A./M.A. Political Science, B.A./M.A. Sociology, B.Sc./M.Sc. Business Administration, B.Sc./M.Sc. International Business Administration, M.Sc. European Economic Studies

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Digitalisierung eröffnet Chancen

„Die BAGSS hat mich in der Promotionsphase nicht nur finanziell unterstützt“, erläutert Schwemmer. „Sie bietet zum Beispiel auch Methodenkurse und ein wöchentliches Forschungskolloquium für Sozialwissenschaftler an.“ Im Kolloquium können Doktoranden ihre Forschungsprojekte vorstellen und sich gegenseitig Feedback geben.

Die Doktorarbeit ist die erste an unserem Lehrstuhl, in der systematisch Computational Methods angewandt wurden.
Prof. Marc Helbling, Hauptbetreuer der Dissertation

Sie diskutierten etwa Schwemmers Dissertation. Schon im Masterstudiengang Soziologie hatte er sich auf Computational Methods spezialisiert, sodass er nun in quantitativen Teilstudien erforschen konnte, ob im Internet Frauen und ethnische Minderheiten benachteiligt werden.

„Die Doktorarbeit ist die erste an unserem Lehrstuhl, in der systematisch Computational Methods angewandt wurden“, sagt Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Marc Helbling, Hauptbetreuer der Dissertation. Weitere Betreuer waren der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Saalfeld und der Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Kai Fischbach.

In quantitativen Teilstudien hat Carsten Schwemmer unter anderem untersucht, ob Frauen im Internet benachteiligt werden.

Neue sozialwissenschaftliche Methoden

„Eine Herausforderung bei der Dissertation war, dass sich rechenintensive Verfahren in den Sozialwissenschaften – auch an der Universität Bamberg – gerade erst etablieren“, schildert Schwemmer. Daher eignete er sich das nötige informatische Wissen teils selbst, teils auf Fortbildungen im In- und Ausland an.

Sie wurden vor allem vom Bamberger Promotions-Förderprogramm IPID4all finanziert. Für Schwemmer bedeutete die Herausforderung zugleich eine große Chance: „Ich konnte meinen Beitrag dazu leisten, die neuen Methoden an der Universität Bamberg einzuführen.“ Mittlerweile lernen alle Studenten der Politikwissenschaft bereits in der Grundausbildung die Programmiersprache R.

Vertretungsprofessor ohne Promotion

Nicht nur die Universität Bamberg hat von Schwemmers IT-Wissen profitiert. Im Wintersemester 2018/19 vertrat er den Juniorprofessor für Social Science Data Collection and Analysis, Prof. Dr. Andreas Jungherr, an der Universität Konstanz. Warum ein junger Wissenschaftler vor seiner Promotion diese Chance bekam? „Mit seiner Forschung und seinen Kursen, insbesondere zur automatischen Textanalyse, zeigt Carsten Schwemmer eindrucksvoll, wie moderne Sozialwissenschaft aussehen kann“, hebt Jungherr hervor. Auch das Weizenbaum-Institut in Berlin hat ihn 2019 wegen seiner digitalen Methodenkenntnisse engagiert, damit er gemeinsam mit Kollegen an Forschungsprojekten arbeitet.

Bamberg Graduate School of Social Sciences (BAGSS)

Gegründet: 2010

Doktoranden: 109 (72 davon weiblich und 20 aus dem Ausland)

Sprache in der Lehre: Englisch

Fachdisziplinen: Empirische Sozial- und Humanwissenschaften, vor allem empirische Bildungs- und Arbeitsmarktforschung, Politikwissenschaft, internationale Beziehungen, Soziologie und Statistik.

Kooperation mit:

  • Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)
  • Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Nürnberg
  • führende Universitäten in Deutschland und Europa

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Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Schwemmer ist kein Einzelkämpfer. Die meisten seiner Publikationen hat er mit Co-Autoren unterschiedlicher Disziplinen und Institutionen veröffentlicht. Darunter befinden sich Soziologen, Politikwissenschaftler, Informatiker und Ökonomen. Sie arbeiten etwa am Institut für Weltwirtschaft Kiel, am Global Migration Data Analysis Centre in Berlin, an der University of Oxford. Einige haben die Universität Bamberg schon besucht.

Schwemmer konnte durch einen Zuschuss der BAGSS etwa Prof. Brandon Stewart für einen Gastvortrag gewinnen. Er ist ein Experte für Textanalyse von der Princeton University in New Jersey und brachte den Bamberger Sozialwissenschaftler auf die Idee, sich am Center for Information Technology Policy an der Princeton University zu bewerben – wo Schwemmer ein Jahr lang gearbeitet hat. Seit Oktober 2020 ist er Postdoktorand für Computational Social Sciences beim GESIS Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Köln. Der Universität Bamberg bleibt er als Gastwissenschaftler erhalten.

"Ich freue mich, sehr als Gastwissenschaftler der BAGSS weiterhin am Bamberger Forschungsgeschehen mitwirken zu können", so Schwemmer. "Neben der Fortsetzung bestehender Kooperationen werde ich auch nach Möglichkeiten zur gemeinsamen Einwerbung von Forschungsmitteln für den Bereich Computational Social Science Ausschau halten."

Mitglieder aller vier Fakultäten der Universität Bamberg kooperieren im Forschungsschwerpunkt Digitale Geistes-, Sozial- und Humanwissenschaften mit dem Ziel, innovative Informationstechnologien zu entwickeln und digitale Lösungen für die Forschung in den beteiligten Disziplinen zu erproben.

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