Die Auenökosysteme in Kirgistan erhalten
Mehr als die Hälfte der großen Flüsse weltweit ist durch menschliches Eingreifen oder den Klimawandel verändert worden. Die Auenökosysteme entlang des Naryn in Kirgisistan hingegen sind bislang noch in einem weitgehend natürlichen Zustand. Damit geben diese Auen nicht nur wertvolle Einblicke in die natürliche Dynamik von Flusssystemen, die so in Mitteleuropa nicht mehr existieren. Sie sind ebenso ein Hotspot für die Biodiversität in der Region und erfüllen wertvolle Dienstleistungen eines Ökosystems — wie zum Beispiel die Verbesserung der Wasserqualität, die Reduzierung von Hochwassergefahr und die Speicherung von Kohlenstoff — die zur Abschwächung des Klimawandels und für mögliche Anpassungsstrategien unerlässlich sind.
Ein neues internationales und interdisziplinär angelegtes Klimaforschungsprojekt unter der Leitung der KU Eichstätt-Ingolstadt mit dem Namen „ÖkoFlussPlan“ hat sich die Erhaltung der Auwälder und Ökosystemleistungen am Naryn zum Ziel gemacht. Das Projekt startete im August 2019 und wird über einen Zeitraum von drei Jahren vom Bundesforschungsministerium mit Mitteln in Höhe von 860.000 € gefördert. Mit „ÖkoFlussPlan“ knüpft die KU an die Erfahrungen aus einem früheren Forschungsprojekt an, das von 2014 bis 2017 durch die VolkswagenStiftung gefördert wurde und sich ebenfalls mit Strategien für den Erhalt und die verträgliche Nutzung von Auen in Kirgisistan und China befasste.
Das neue Projekt steht unter der Leitung von Prof. Dr. Bernd Cyffka (Inhaber der Professur für Angewandte Physische Geographie der KU Eichstätt-Ingolstadt und Leiter des Aueninstituts der KU in Neuburg). Insgesamt beteiligen sich 14 Partnerinstitutionen aus Deutschland und Kirgisistan an dem Forschungsvorhaben. Zu den Partnern auf deutscher Seite gehören unter anderem die Technische Hochschule Ingolstadt, die Technische Universität München sowie die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde. In Kirgisistan beteiligen sich neben verschiedenen Gemeinden, Behörden und NGOs die Naryn State University sowie die Kyrgyz State University for Construction, Transport and Architecture.
An der Schnittstelle zwischen Erhaltung und Entwicklung
Das Projekt „ÖkoFlussPlan“ operiert insbesondere am Schnittpunkt zwischen Erhaltung, Resourcennutzung und Energieentwicklung in der Region. Für die Bewohner entlang des Flusses Naryn bieten die Auen Brennholz und Weideflächen. Außerdem dienen die Auwälder als Erholungsgebiete und bieten Schutz vor Bodenerosion. Allerdings werden die Auwälder durch die Entnahme von Brennholz und die Beweidung stark belastet und der langfristige Erhalt ist gefährdet. Darüber hinaus stellt eine geplante Staustufenkaskade am Oberlauf des Naryn eine Bedrohung für die natürliche Dynamik des Flusssystems und seine Biodiversität dar.
„Für die lokalen Entscheidungsträger ergibt sich also ein Zielkonflikt zwischen der Versorgung der lokalen Bevölkerung mit Ressourcen aus dem Auwald, der Entwicklung der Region mittels des Ausbaus von Wasserkraft sowie dem Erhalt der natürlichen Ökosysteme und ihrer Biodiversität“, erklärt Prof. Cyffka.
Partner im Projekt ÖkoFlussPlan
Aus Deutschland
- Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (Angewandte Physische Geographie und Aueninstitut Neuburg)
- Technische Hochschule Ingolstadt (Institut für neue Energie-Systeme)
- Technische Universität München (Lehrstuhl für Hydrologie und Flussgebietsmanagement)
- Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (Sozioökonomie & Kommunikation )
- ÖKON Gesellschaft für Landschaftsökologie, Gewässerbiologie und Umweltplanung mbH, Kalmünz
- CitrinSolar GmbH Energie- und Umwelttechnik, Moosburg
- Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt
- scilands GmbH – Gesellschaft zur Bearbeitung digitaler Landschaften, Göttingen
Aus Kyrgyzstan
- Eco-Consult
- Naryn State University
- Kyrgyz State University for Construction, Transport and Architecture
- World Agroforestry Centre, branch office Bishkek
- Agency for municipal development and investments
- Forstverwaltungen Naryn and Aktalaa
- Kommunen Aktal and Emgek-Talaa
- Kyrgyz Soil Science Society
Eindämmungsmaßnahmen fördern
Eine mögliche Lösung des Problems ist die Reduzierung des Nutzungsdrucks. Dazu entwickeln Forscher derzeit Alternativen für die Holzentnahme aus den Auwäldern. So sollen beispielsweise Plantagen aus schnellwachsenden Gehölzen angelegt werden, die das Holz aus den Auwäldern ersetzen können. Zum anderen kommen aber auch moderne Technologien zum Einsatz – wie etwa mobile Anlagen zur Erzeugung von Solarstrom und Wärme durch Sonnenkraft. Diese Technologien sollen als Alternative zur Abholzung des Auwaldes vor Ort etabliert werden.
Teamwork: Forscher, Bürger, Regierung
Um dieses vielschichtige Thema nachhaltig aufzugreifen ist ein enger Dialog mit der lokalen Bevölkerung ebenso wichtig wie der Austausch mit Entscheidungsträgern aus der kirgisischen Politik. Um die eigene Forschung zu unterstützen, beschäftigt sich das Team aus deutschen und kirgisischen Forschern auch mit bereits bestehenden regionalen Projekten, die von kirgisischen Behörden ins Leben gerufen wurden und sich mit dem Schutz der Auwälder und effizienter Energienutzung in den umliegenden Dörfern auseinandersetzen. Das Team sucht ebenfalls den engen Austausch mit den Einheimischen, um zum einen bestehendes lokales Wissen von Anfang an nutzen zu können und zum anderen auch die Einheimischen in das Projekt mit einzubeziehen und die Ergebnisse zu kommunizieren.
Doktoranden und Post-Docs betreiben Forschung zur Erhaltung
ÖkoFlussPlan versteht sich als nachhaltig ausgerichtetes, transdiziplinäres Projekt das reichlich Raum für praktische Anwendung von theoretischem Wissen bietet, um so neue Erkenntnisse erlangen zu können. Eine zentrale Rolle hierbei spielen Nachwuchswissenschaftler - also Masterstudierende und Doktoranden - gemäß dem Leitsatz: "Die Studenten von heute sind die Entscheidungsträger von morgen". Um diese Vision zu verwirklichen, wird ein intensiver Austausch zwischen Kirgisistan und Deutschland stattfinden, bei dem Nachwuchswissenschaftler aus beiden Ländern gemeinsam an Fragestellungen der Auenforschung arbeiten und dabei modernde europäische Methoden und Sichtweisen kennenlernen. Daneben ist auch eine Sommerschule für Masterstudenten und Doktoranden geplant.
Die Forscher der KU werden die natürlichen Auenökosysteme analysieren. Ein Team aus Nachwuchswissenschaftlern wird mit modernsten umweltanalytischen Methoden arbeiten: Neben Feldaufnahmen werden auch Techniken der Fernerkundung und Geoinformatik zum Einsatz kommen, um die Entwicklung der Auwälder entlang des Naryn langfristig erforschen zu können. Das Sammeln von Informationen in einem Gebiet dieser Größenordnung erlaubt es den Forschern, Rückschlüsse über den Zustand der Auen zu ziehen und zudem Prognosen über zukünftige Entwicklungen abzugeben.
Forschung stärken durch internationalen Austausch
Im Rahmen des Projekts ÖkoFlussPlan fokussiert die KU sich zunehmend auf Kapazitätsausbau durch internationalen Austausch. So war Ende 2019 Dr. Nadira Degembaeva als kirgisische Gastwissenschaftlerin zu Besuch an der KU, um gemeinsam an Forschungsfragen zu den Narynauen zu arbeiten. Ihre Arbeitsschwerpunkte an der Naryn State University bilden unter anderem Hydrologie und Erneuerbare Energien. Ihre Expertise auf diesen Gebieten bereichert das Projekt nachhaltig und treibt es mit voran.